Mensch-Roboter-Kollaboration: Wie wir in Zukunft mit dem Roboter zusammenarbeiten werden

Schon seit Jahrzehnten sind Roboter aus unserer Industrie nicht mehr wegzudenken. Sie helfen in der industriellen Montage, als fahrerlose Transportsysteme in der Logistik und allgemein in der Produktion. Doch hohe Sicherheitsanforderungen führen dazu, dass Roboter und Menschen häufig räumlich voneinander getrennt sind. Bisherige Robotersysteme sind in der Produktion meist eingezäunt, um die menschlichen Arbeiter nicht zu gefährden. Schutzzäune und -türen sowie Lichtschranken gewährleisten die Sicherheit der Menschen, schränken jedoch auch die Effizienz der Maschinen ein.

In Zukunft soll sich dies aber ändern. Ziel sind Roboter, die mit den Menschen direkt im gleichen Arbeitsraum zusammenarbeiten können, beispielsweise in der Industrie, in der Logistik, aber auch in der Medizin und im Pflegebereich in Form von Assistenzrobotern. Deswegen forscht das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS an sicherer Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK).

Industrieanlage
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Besonders in der Industrie bringt die Mensch-Roboter-Kollaboration viele Vorteile.

Was ist Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK)?

Der Mensch arbeitet mit dem Roboter zusammen, ohne Schutzzaun, ohne Trennung. Das ist die einfachste Definition von Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK). Die Mensch-Roboter-Kollaboration steht damit am Ende einer Reihe von unterschiedlichen Stufen, wie Mensch und Maschine miteinander interagieren können:

  • Strikte Trennung der Arbeitsbereiche: In klassischen Industrieanlagen waren und sind Robotersysteme strikt von den menschlichen Arbeitern getrennt. Sie haben eine eigene Zelle, die klar durch einen Schutzzaun abgegrenzt ist und die der Mensch im Regelfall nicht betritt. Sollte dies doch passieren, wird der Betrieb eingestellt.
  • Koexistenz: Bei der Koexistenz entfällt der Schutzzaun. Dennoch haben Mensch und Maschine unterschiedliche Arbeitsbereiche. Sie arbeiten nicht zusammen.
  • Kooperation: Bei der Kooperation teilen sich Mensch und Industrieroboter einen Arbeitsraum. Allerdings arbeiten sie nicht gemeinsam an einem Produkt, sondern zeitversetzt.
  • Kollaboration: Hier arbeiten Mensch und Roboter Hand in Hand. Sie haben einen gemeinsamen Arbeitsraum und arbeiten gleichzeitig am selben Bauteil.

Vorteile der Mensch-Roboter-Kollaboration

Die Vorteile der Mensch-Roboter-Kollaboration liegen auf der Hand: Durch ein gutes Zusammenarbeiten von Mensch und Roboter kann die Effizienz in der Produktion gesteigert werden. Schutzzäune entfallen und Menschen wie Roboter können sich freier bewegen. Prozesse in der Fabrik werden optimiert. Durch MRK wird die Industrie 4.0, also die effiziente, flexible und individuelle Produktion durch Automatisierungstechnik, zur Realität. Das macht das Unternehmen zukunftssicher und spart Kosten durch eine effiziente Produktion.

Gleichzeitig werden die Mitarbeitenden in der Produktion entlastet: Robotersysteme können lästige, ergonomisch ungünstige und damit anstrengende Arbeiten übernehmen, wie zum Beispiel das Heben von Lasten oder das Über-Kopf-Arbeiten. So wird die Gesundheit der Mitarbeitenden geschont. Die Arbeiter können sich stattdessen auf komplexere Aufgaben konzentrieren, für die ihre menschliche Expertise gefragt ist.

Nachteile der Mensch-Roboter-Kollaboration

Doch auch das beste System hat Nachteile: Bei der Mensch-Roboter-Kollaboration heißt Effizienz nicht immer maximale Geschwindigkeit. Da Mensch und Maschine hier eng zusammenarbeiten, muss das Robotersystem Rücksicht auf den Menschen nehmen und gegebenenfalls die Geschwindigkeit reduzieren, um das Verletzungsrisiko für die menschlichen Kollegen zu minimieren. Doch durch intelligente Softwaretechnik und ein gutes Safety Engineering lassen sich diese Nachteile abschwächen.

Schutzmechanismen für die sichere Mensch-Roboter-Kollaboration

Um die Sicherheit der Menschen beim Betrieb von Robotersystemen zu gewährleisten, gibt es Normen und Standards, die eingehalten werden müssen. Ein Beispiel ist die Norm DIN EN ISO 10218-1. Sie definiert verschiedene Schutzmechanismen für die sichere Mensch-Roboter-Kollaboration, unter anderem:

  • Handführung: Die Roboterbewegungen werden vom Arbeiter aktiv gesteuert. So hat der Arbeiter die Kontrolle über das Geschehen.
  • Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung: Mittels Sensoren überwachen die Roboter ihre Umgebung. Kommt ein Mensch zu nah, wird der Kontakt vom Roboter verhindert.
  • Leistungs- und Kraftbegrenzungen: Häufig sollen und dürfen und müssen sich Roboter und Mensch aber berühren. Um das Verletzungsrisiko auf ein Minimum zu reduzieren, werden deswegen die Kontaktkräfte zwischen Mitarbeitenden und Maschinen auf ein ungefährliches Maß reduziert. Dies geschieht beispielsweise, indem das Gewicht der Roboter möglichst geringgehalten wird.

Adaptive Safety: Sicherheit bei der Mensch-Roboter-Kollaboration durch das Fraunhofer IKS

Um die Einschränkungen bei der Mensch-Roboter-Kollaboration möglichst gering zu halten und die Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, forscht das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme IKS an »Adaptive Safety«. Gemeint sind hiermit Methoden und Algorithmen, die in Verbindung mit Sensoren und Aktoren eine anpassungsfähige Sicherheit ermöglichen. Statt statischen Safety-Funktionen sollen in Zukunft adaptive Safety-Funktionen Anwendung finden.

Ein Beispiel: Eine statische Safety-Funktion folgt dem Prinzip »Wenn die Schutztür geöffnet wird, dann Anlage stoppen.« Bei einer adaptiven Safety-Funktion sieht das dagegen so aus: »Wenn die Schutztür geöffnet wird, dann unmittelbaren Bereich in den reduzierten Betrieb fahren. Alle anderen Bereiche normal betreiben.«

Für unterschiedliche Anwendungsgebiete gibt es hier unterschiedliche Szenarien, wie Adaptive Safety umgesetzt werden kann. Ein kollaborierender Roboter, auch Cobot genannt, kann über Drehmomente oder Energieverbrauchsmessungen an den Achsmotoren erkennen, ob ein Hindernis im Weg ist. Auch Kameras oder eine künstliche Haut ermöglichen es dem System, zu erkennen, wann es beispielsweise eine Person berührt. Adaptive Safety geht aber noch einen Schritt weiter: Durch intelligente Software kann der Roboter das Verhalten der Menschen schon im Vorhinein einschätzen und seine Bewegungen so hinsichtlich der notwendigen Safety-Anforderungen planen. Möglich wäre beispielsweise eine Optimierung der Fahrroute oder eine Anpassung der Geschwindigkeit, auch bei fahrerlosen Transportsystemen.

Ein weiterer kritischer Punkt in der Produktion ist der Eingriff im Produktivbetrieb, wenn beispielsweise ein Sensor nachjustiert, aber die aktuelle Charge weiterverarbeitet werden muss. Durch Adaptive Safety des Fraunhofer IKS muss die Maschine nicht die komplette Produktion stoppen. Dank sensorbasierter Überwachung sichert sie nur den Bereich ab, in dem der Mensch arbeitet. Verlässt der Mensch diese Zone wieder, stellt die Maschine automatisch auf Normalbetrieb um.

Die Vision des Fraunhofer IKS sind kognitive Produktionsanlagen und Fabrikhallen: In einer kognitiven Fabrikhalle sind alle Objekte, Menschen wie Maschinen, lokalisierbar und ihre Intention erkennbar. Mensch und Roboter können so effizient, sicher und kollaborativ arbeiten.

Anwendungsgebiete für die Mensch-Roboter-Kollaboration

Die Anwendungsgebiete für Mensch-Roboter-Kollaboration sind durch die Digitalisierung und Automatisierung zahlreich. Ob in der Produktion, der Logistik oder in der Pflege. Hier finden Sie drei Beispiele:

Cobot – Nebeneinander am gleichen Bauteil arbeiten

Während der Roboter die schlecht erreichbaren Nebenscheinwerfer am Auto ausrichtet, kann der Arbeiter die besser erreichbaren Hauptscheinwerfer nachjustieren. So arbeiten Mensch und Maschine ohne Schutzzaun am gleichen Bauteil zusammen und der Arbeiter wird entlastet.

Fahrerlose Transportsysteme – Transport an den Roboter auslagern

Um Waren in einer Lagerhalle zusammenzusuchen, müssen Menschen häufig viele Kilometer am Tag zurücklegen. Diese anstrengende Arbeit in der Logistik übernehmen fahrerlose Transportsysteme. Sie holen automatisch die angeforderten Kartons und bringen sie zu einem zentralen Punkt, an dem die menschlichen Arbeiter die Waren weiterverarbeiten können.

Assistenzroboter – Der Roboter unterstützt die Genesung

Roboter können in Form von Assistenzrobotern eine schnellere Heilung begünstigen und gleichzeitig Pflegepersonal entlasten. Reha-Roboter können beispielsweise therapeutische Bewegungen durchführen, die sie von einer Pflegekraft gelernt haben. So können liegende Patienten mobilisiert werden, ohne dass die Pflegekraft schwere Gliedmaßen selbst anheben muss.